Warum Deutschland den Niger in Zukunft braucht

16.08.2016: Nicht nur der Niger braucht Deutschland, sondern das westafrikanische Land wird auch wichtig für Deutschland. Doch die Politik muss handeln.

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Warum Deutschland den Niger in Zukunft braucht

Der Niger ist nicht nur das am wenigsten entwickelte Land der Welt, sondern auch ein Schlüsselland für die Europäische Wirtschaft und die Flüchtlingsproblematik.

Deutschland braucht Hilfe aus dem Niger

Obwohl der westafrikanische Staat Niger zu den ärmsten Ländern der Welt gehört und seit Jahrzehnten Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit aus Deutschland erhält, kommen kaum Flüchtlinge aus dem Wüstenstaat nach Europa. Im Gegenteil: das Land mit einer rapide wachsenden Bevölkerung, das immer wieder von Hungerkatastrophen heimgesucht wird, versorgt mehrere Hunderttausend Flüchtlinge, die sich aus den umliegenden Krisengebieten, wie kürzlich aus Nigeria, hierher gerettet haben. Denn der Niger ist eine Insel relativer Stabilität. Das Land beteiligt sich an Friedensmissionen in Afrika im Kampf gegen die Terrororganisationen Boko Haram, Al Kaida und den IS. In diesem Kampf sei das Land jedoch auf verstärkte Hilfe der Welt und Europas angewiesen, wie Entwicklungsminister Müller auf seiner jüngsten Reise durch Afrika und den Niger berichtet. Doch auch aus geopolitischen Gründen ist der Niger ein Schlüsselland für Deutschland, das sich die Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern auf die Fahnen geschrieben hat.

Denn, auch wenn die Flüchtlinge, die den beschwerlichen Weg nach Europa antreten, selten gebürtig aus dem Niger sind, so werden 90 Prozent der Flüchtlinge aus West- und Zentralafrika durch den Niger geschleust. Im vergangenen Jahr passierten 120.000 Menschen die Wüstenstadt Agadez auf ihrer Fluchtroute durch die Sahara nach Libyen, um über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Bisher galt der Niger in Berlin als wenig kooperativ bei der Eindämmung der Flüchtlingsströme. Dieses Bild konnte in einem Treffen mit dem nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou und Entwicklungsminister Müller angeblich revidiert werden. Denn, so versicherte der Staatschef Nigers: auch der Kampf gegen die Schlepperkriminalität werde im Land aktiv geführt. Schleusertum sei mittlerweile immerhin per Gesetz geächtet und die Sicherheitskräfte gingen aktiv dagegen vor.

Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpfen – nichts als Worthülsen?

Minister Müller: “Die Weltgemeinschaft muss bei ihrer Arbeit noch tiefer als bisher an den Ursachen der Flüchtlingsströme in Afrika ansetzen. Dazu gehört neben dem Klimawandel und den daraus entstehenden Hungerkatastrophen die faire Teilhabe der Menschen auf dem afrikanischen Kontinent an ihren Ressourcen. Wir können unseren Wohlstand nicht weiter auf Kosten von Menschen leben, die in Minen oder auf Plantagen ausgebeutet werden. Nur wenn wir zu einem fairen Ausgleich kommen, werden auch die Menschen in Afrika Chancen auf ein besseres Leben haben.”

Diese schönen Worte des Ministers stehen leider den durchaus kritikwürdigen Handlungen der europäischen Politik gegenüber, wie beispielsweise das Freihandelsabkommen (EPA), das gegenwärtig mit 16 Ländern Westafrikas, unter ihnen der Niger, verhandelt wird.

Das EPA-Abkommen sieht die Öffnung der westafrikanischen Märkte für Importe aus Europa vor. Außerdem sollen Ausfuhrzölle abgebaut und damit der unbeschränkte Zugang Europas zu den Rohstoffen Afrikas, wie Erdöl, Kohle oder Gold gesichert werden. Der Niger gehört zu den größten Uranproduzenten der Welt und verfügt über Erdöl, Kohle, Gold, Eisen, Nickel, Kupfer und Phosphat. Diese Industrie wird nach Informationen des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schon heute von ausländischen Unternehmen kontrolliert und bisher nicht ausreichend innerstaatlich gelenkt. Erhebliche Umweltbelastungen für die einheimische Bevölkerung sind die Folge. Da ist es nur verständlich, dass sich der Niger bis zum heutigen Tag gegen die Unterzeichnung des EPA-Abkommens sperrt. Ob die Antwort aus der EU Sanktionen und Einfuhrzölle auf nigerianische Produkte sein werden, bleibt abzuwarten. Dann aber wären die schönen Worte des Ministers nicht mehr als Schall und Rauch.

Foto: Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller besucht Agadez (Niger). © photothek/Grabowsky