Äthiopien: anhaltende Proteste nach Massenpanik

06.10.2016: Nach einer Massenpanik mit dutzenden Todesopfern, halten die Proteste gegen die Regierung in Äthiopien weiter an.

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Äthiopien: anhaltende Proteste nach Massenpanik

Am vergangenen Sonntag wurde das Dankesfest zum Ende der Regenzeit „Irreecha“, das jährlich von der Volksgruppe der Oromo in Bishoftu südlich der Hauptstadt Addis Abeba begangen wird, zum Schauplatz des Protestes. Nachdem Regierungskritiker als Symbol des gewaltfreien Widerstandes ihre Handgelenke über den Köpfen überkreuzten und Steine und Flaschen in Richtung der Sicherheitskräfte warfen, reagierte die Polizei mit Tränengas. Die Tränengaswolke löste eine Massenpanik mit dutzenden Todesopfern aus. Die Regierung spricht von einem tragischen Unfall mit 52 Toten und hat zur Staatstrauer aufgerufen.

Menschenrechtsorganisationen gehen von mehreren Hundert Todesopfern aus. Die Oromo-Oppositionspartei OFC (Oromo Federalist Congress) meldet indes 678 Tote als Ergebnis dieser Massenpanik, die nach deren Überzeugung durch Schüsse der Sicherheitskräfte in die feiernde Menschenmenge ausgelöst wurde. Der Jahrzehnte währende Konflikt in Äthiopien zwischen den Volksgruppen der Tigray, aus denen im Kern die aktuelle Regierung besteht und den anderen großen Ethnien des Landes der Oromo und Amhara wird durch diese Ereignisse weiter geschürt.

Konflikt weitet sich aus

Gegenwärtig spitzt sich die Situation weiter zu. Oromo-Aktivisten riefen zu „fünf Tagen des Zorns“ auf. Der Widerstand der beiden großen Volksgruppen der Oromo und Amhara manifestiert sich aktuell zu einer koordinierten Protestbewegung gegen die Regierung Äthiopiens. In den westlichen und östlichen Randbezirken der Hauptstadt Addis Abeba ziehen Demonstranten täglich mit ihren Plakaten durch die Straßen, sie fordern den Sturz der Regierung. Da der Staat nach wie vor gewaltsam gegen die Kritiker vorgeht, droht sich der Konflikt weiter auszuweiten. Das repressive Regime Äthiopiens ist bis zum heutigen Tag nicht bereit, das Angebot der Vereinten Nationen (UN) anzunehmen, die als unabhängige Organisation die Vorfälle untersuchen möchte.

Im Gegenteil, mit Aktionen wie der Festnahme des regimekritischen Bloggers Seyoum Teshome am Montag aus seinem Haus nähren sie den gewaltsamen Konflikt weiter, der in der Region zu eskalieren droht. Nach Ansicht des Journalisten der Deutschen Welle, Merga Yonas Bula, der selbt der Ethnie der Oromo angehört, muss die Regierung den Dialog mit der Bevölkerung suchen, wenn sie Stabilität in Äthiopien erreichen will.

Seit November immer wieder Aufstände

Seit November vergangenen Jahres kommt es immer wieder zu Aufständen von unterdrückten Bevölkerungsgruppen in den Regionen Oromo und Amhara. Die Proteste entflammten sich an den Plänen der Regierung, die Hauptstadt Addis Abeba in das Gebiet des Oromo Volks auszuweiten. Zuletzt wurden bei Protesten im August dieses Jahres rund 100 Menschen getötet. Die Anbindung der Oromo-Gebiete im Umland an die Hauptstadt Addis Abeba sollen laut den Plänen der Regierung mehr Infrastruktur und Entwicklung für die Region bringen. Kritiker sehen hingegen die Souveränität der Oromo-Gemeinden bedroht und fürchten, dass die Einheimischen von ihrem Land vertrieben werden.

Grund und Boden sind wichtigste Ressource des Landes

Die Basis der äthiopischen Wirtschaft, die seit 2004 zwischen 10 und 7 Prozent wächst, ist die Landwirtschaft. Sie trägt fast zur Hälfte des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bei. Grund und Boden sind demnach einer der wichtigsten Ressourcen des Landes. Da der Staat in Äthiopien einen beherrschenden Einfluss auf die Wirtschaft ausübt, ist privater Landbesitz per Verfassung nicht zulässig. Unter diesen Rahmenbedingungen ist es für die unterdrückten Volksgruppen des Landes, der Oromo und Amhara kaum möglich sich als Akteure der Privatwirtschaft zu etablieren. Sowohl nationale Stabilität wie auch wirtschaftliche Entwicklung sind in Äthiopien von der Beendigung des seit Jahrzehnten währenden Konfliktes zwischen den verfeindeten Volksgruppen abhängig.

Foto: Pixabay, CCO 1.0