Inwiefern nimmt die Corona Pandemie Einfluss auf die Bildungssysteme afrikanischer Länder?

Eine Umfrage von “The eLearning Africa” und “EdTech Hub” weist neue Erkenntnisse zum Einfluss von Covid-19 auf die Bildungssysteme afrikanischer Länder auf.

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Symbolbild: Leeres Klassenzimmer

Inwiefern nimmt die Corona Pandemie Einfluss auf die Bildungssysteme afrikanischer Länder?

Grundlage für die Erkenntnisse sind 1.649 Beantwortungen von in Afrika lebenden und arbeitenden Personen und Organisationen. Die befragten Personen sind Lehrerinnen und Lehrer, Technologieexpertinnen und -experten und politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger verschiedener Länder in Afrika. Sie wurden befragt, inwiefern die Bildungssysteme und deren Akteure von der Corona-Pandemie beeinflusst werden.
Die Ergebnisse sind sehr divers und zeichnen ein vielfältiges Bild des ebenso vielfältigen Kontinents.

Die Umfrage macht deutlich auf die Unterschiede einzelner afrikanischer Länder aufmerksam und fordert die Leserinnen und Leser dazu auf, die Vielfältigkeit der Länder und Regionen in die eigenen Überlegungen miteinzubeziehen. Ausgehend von den starken Unterschieden innerhalb Afrikas ist zu erwarten, dass sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die jeweiligen Bildungssysteme der Länder ebenso stark unterscheiden. Denn die einzelnen Länder Afrikas weisen unterschiedliche Infektionszahlen auf, die Bildungssysteme sind verschieden und die Regierungen ergreifen dementsprechend andersartige Maßnahmen. Wie gut ein Land mit der Pandemie umgehen kann, hängt außerdem stark von dem Armutsanteil der Bevölkerung, dem Gesundheitssystem, der politischen Landschaft und vielen weiteren Faktoren ab.

Die Umfrage bietet folglich einen breitgefächerten Einblick in die aktuelle Bildungslandschaft afrikanischer Länder, gibt andererseits Aufschluss über identische Probleme und nennt Handlungsanweisungen und Überlegungen für Gegenwart und Zukunft. Ein Blick lohnt sich, denn auch außerhalb Afrikas kann von den Erkenntnissen gelernt werden. Afrika geht mit vielen guten Beispielen voran.

Der folgende Artikel bietet eine deutsche Zusammenfassung der internationalen Umfrage.

Hintergründe zur Umfrage

Die befragten Personen arbeiten in verschiedenen afrikanischen Ländern – in der Hochschulbildung, der Grundschul- und Sekundarschulbildung und in der Berufsschulbildung. Knapp über die Hälfte dieser Menschen arbeitet für die jeweilige Landesregierung, im öffentlichen Sektor. Interessant ist, dass neun Prozent dieser Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Telekommunikationssektor tätig sind. Telekommunikationsanbieter haben in afrikanischen Ländern einen immer größeren Einfluss auf die Schulbildung. Mobilfunkanbieter kooperieren beispielsweise mit Start-Ups und entwickeln Lernplattformen, die vielen Kindern einen besseren Zugang zu Bildung ermöglichen.
Die Umfrage macht deutlich, dass die Fernlehre (Englisch: ELearning) auch in Zukunft Bestandteil des Bildungssektors bleiben wird. Technologien, die die Fernlehre fördern, gewinnen an immer stärkerer Bedeutung.

Laut „The eLearning Africa” und “EdTech Hub“ zeige die Befragung, dass die Folgen der Corona-Pandemie auf die Bildung fundamental seien. Die Einschätzung der Befragten sei realistisch und in manchen Fällen deutlich reflektierter als jene einiger Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus Europa oder Nordamerika, wo die Corona-Pandemie teilweise weniger folgenschwer für den Bildungssektor eingeschätzt werde.

Von Grundschule bis Sekundarstufe

Grundsätzlich sah die Mehrheit (92 Prozent) der Befragten die Schulschließungen als einen notwendigen Schritt für die Bekämpfung der Pandemie.

Die Hochschulbildung sei deutlich besser in der Lage, die aktuellen Auswirkungen zu verkraften. Gründe dafür sind, dass Universitäten und Hochschulen digital besser aufgestellt sind. 18 Prozent der Befragten denken, dass die Sekundarschulbildung am stärksten beeinträchtigt sei. Die Schwierigkeit liege insbesondere an der Einhaltung des Lehrplans und am Ablegen von Prüfungen. Wiederum denken 19 Prozent, dass die größten Einschnitte langfristig in der frühkindlichen Bildung zu sehen sein werden. 37 Prozent sehen hingegen Grundschulkinder am stärksten getroffen von der Corona-Pandemie. Grund dafür sei, dass Grundschulkinder nicht für eigenverantwortliches Lernen außerhalb der Klassenräume ausgestattet bzw. an es gewöhnt sind. Ist die Ausstattung vorhanden, dann sind die Kinder aufgrund ihres Alters trotzdem auf die Hilfe der Eltern angewiesen. Dass die Eltern pausenlos zur Hilfe schreiten können, ist allerdings häufig nicht möglich, da diese entweder selbst kaum Erfahrung mit ELearning haben oder berufstätig sind.

Insgesamt hatten Schülerinnen und Schüler bzw. Lehrerinnen und Lehrer der Grund- und Sekundarstufen wenig Erfahrung mit der Fernlehre. Sobald die physischen Unterrichtsstunden ausfallen mussten, wurden die Prüfungen priorisiert, die in dem Zeitraum der Schulschließungen abgelegt werden mussten. Entweder wurden die nötigen Maßnahmen auf nationalem Level eingeleitet oder es wurde anderweitig durch lokale oder andere institutionelle Stellen unterstützt, um die Prüfungen zu ermöglichen.

Wie wirken sich die Schulschließungen aus?

1.003 Personen berichteten davon, dass die jeweilige Landesregierung Fernunterricht in die Wege geleitet hatte. Davon bewerteten 576 Personen die Maßnahmen als nicht effektiv, 32 Prozent werteten die jeweiligen Maßnahmen als effektiv.

44 Prozent der Befragten sehen die größten Nachteile für Schülerinnen und Schüler in ländlichen Gebieten, 28 Prozent für Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Haushalten. Hier wird deutlich, dass die vorhandenen Bildungsunterschiede innerhalb der Gesellschaften noch weiter auseinanderzuklaffen drohen. Die Befragten sehen die Verantwortung bei den Regierungen, um die immer größer werdenden Bildungsunterschiede zwischen Mittel- und Unterschicht und städtischen und marginalisierten ländlichen Gebieten auszugleichen.

Herkömmliche Wissensquellen

Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien haben auch gerade während der Schulschließungen einen schlechteren Zugang zu Bildung. Digitale Angebote können von vielen Menschen nicht wahrgenommen werden, da das Geld für die Anschaffung von nötigen Technologien fehlt.

Das Radio und Fernsehen wurde von den Teilnehmenden als wichtigste Technologie für den Fernunterricht eingestuft. Insbesondere Grundschulkinder müssen aufgrund mangelnder Ausstattung darauf zurückgreifen. Radio und Fernsehen sind oft die einzigen technischen Informationsquellen in den Haushalten. E-Learning Angebote wie interaktive Lernplattformen oder Apps seien am relevantesten für die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe.

EdTech auf dem Vormarsch

EdTech steht für Educational Technology – Bildungstechnologie. Bildungstechnologie ergänzt den gewohnten Schulalltag um digitale Elemente, also Hardware und Software. Die Anwendungen werden mit pädagogischen Elementen verknüpft. So gibt es mittlerweile zahlreiche Apps für das Smartphone, einen SMS-Dienst, der beim Lernen hilft und interaktive Spiele, die bestimmte Themen vertiefen. Durch die Anleitung von Lehrerinnen oder Multiplikatorinnen und Multiplikatoren wird das Lernen unterstützt und im besten Fall erleichtert.

Insgesamt gibt es einen Konsens darüber, dass EdTech immer bedeutender für die Schulbildung in afrikanischen Ländern wird. Auch vor den Schulschließungen waren Bildungstechnologien beliebt, doch mit der Ausbreitung der Corona-Pandemie gewannen die Technologien an größerer Bedeutung, denn dies war meist der einzige Weg, Wissen zu erlernen und zu vertiefen.

Um digitale Angebote für alle Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen, sind laut der Befragten drastische Veränderungen in vielen Bereichen nötig.

Die Fernlehre habe viele positive Aspekte, könne aber noch nicht so genutzt werden, wie es nötig sei. Hürden für die funktionierende Fernlehre seien u.a.

  • die jeweilige bestehende Infrastruktur bzw. der schlechte Zugang zu Technologien,
  • der Zugang zu Materialien,
  • ein angepasster Lehrplan,
  • die Lernatmosphäre zu Hause,
  • erschwingliche und zugängliche Elektrizität und Internetverbindung,
  • Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnik,
  • persönliche Entwicklung und
  • fehlendes Wissen zum richtigen Umgang mit den Technologien.

Prognosen

Die Ausbreitung der Pandemie wird als eine große Bedrohung eingeschätzt. Umso bemerkenswerter ist allerdings, dass die Hälfte der befragten Personen neue Möglichkeiten für das Bildungssystem sieht. Diese eröffnen sich durch die Umstellungen im Zuge der Corona-Pandemie.

„Stop trying to copy first world countries“ lautet eine allgemeine Empfehlung einer Lehrkraft aus Südafrika.

Learnings

Die Umfrage bietet konkrete Hinweise auf mehreren Seiten. So schlägt eine Lehrkraft aus Tansania vor, identische Bildungsmaterialien auf allen Plattformen, im Radio, im Fernsehen und auf Online Portalen zu verbreiten. Dies würde ermöglichen, dass eine Vielzahl der Schülerinnen und Schüler identische Materialien erhält, unabhängig von der Informationsquelle, die sie benutzen.

Doch eine Aussage hört man immer wieder:
Die Regierungen der Länder müssen für einen besseren und stabileren Internetzugang sorgen, die Unterschiede sind von Region zu Region sehr groß, die Bildungsangebote sind unterschiedlich gut zugänglich.
Es darf nicht sein, dass die Chance auf Bildung vom Zugang zum Internet abhängt und dadurch viele Kinder und Jugendliche einen Nachteil haben, obwohl das Recht auf Bildung universal ist.

Es lohnt sich, einen Blick in die Umfrage zu werfen und Anreize für den eignen Unterricht zu bekommen.

Die gesamte Umfrage lesen Sie unter: https://www.elearning-africa.com/reports_surveys_COVID19.php