Freiwilligendienste in afrikanischen Ländern – helfen sie wirklich?

Viele junge Menschen zieht es nach bestandenem Schulabschluss ins Ausland. Dabei ist es sehr populär Freiwilligenarbeit zu leisten. Vor allem Länder in Afrika sind dabei sehr beliebt. Doch statt zu helfen, richten diese Einsätze teilweise große Schäden an. Doch was können die unmittelbaren Folgen von Freiwilligenarbeit sein und wie können wir diese Situation verbessern?

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Freiwilligendienste in afrikanischen Ländern – helfen sie wirklich?

Einsatzbereiche von Freiwilligen

Viele Freiwillige zieht es in Waisenhäuser, Schulen, Krankenhäuser, Umweltschutz-, oder Tierschutzprojekte, um dort ihre Hilfe anzubieten. Ziel dabei ist, den Urlaub oder Auslandsaufenthalt mit einer guten Tat zu verbinden. Doch besonders Freiwilligendienste in Waisenhäusern und Krankenhäusern bergen Gefahren. Nach dem Schulabschluss bringen viele Freiwillige weder die nötigen Qualifikationen für bestimmte Einsatzstellen mit noch die nötige Zeit.

Problematik von Freiwilligendiensten in Waisenhäusern

Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern kann schwerwiegende Folgen für die Kinder haben. Denn oft bleiben die Freiwilligen nur über einen kurzen Zeitraum, so dass es zu einem häufigen Wechsel der Freiwilligen kommt. Was das bei den Kindern auslösen kann, wird dabei oft nicht hinterfragt. Die Kinder gewöhnen sich an die einzelnen Helferinnen und Helfer und werden kurze Zeit später wieder von ihnen getrennt. In der Folge können Bindungsprobleme auftreten, die sie nachhaltig prägen.

Auch ist das Geschäft mit Freiwilligendienstleistenden in Waisenhäusern so lukrativ, dass Kinder ihren Eltern teilweise entzogen werden, um das Waisenhaus zu füllen und so mit ausländischen Geldern zu finanzieren. Ebenfalls entfallen durch die Freiwilligendienstleistenden qualifizierte Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung.

Von Zuhause helfen

Dass unser Wohlstand zum großen Teil auf der Ausbeutung der Länder fußt, in denen wir so gerne helfen, wird oft vergessen. Unfaire Handelsabkommen, „Land Grabbing“, damit wir z.B. unseren Fleisch- und Energiehunger stillen können, oder unser täglicher Kaffee- bzw. Schokoladenkonsum, dessen Produktion teils unter menschenunwürdigen Bedingungen stattfindet, tragen noch immer zu einer ungleichen Verteilung von Reichtum auf der Erde bei. Der Social-Media-Manager von „No White Saviors“, Rwothomio Gabriel, findet dazu folgende Worte: „Wenn [weiße Menschen] die Probleme Afrikas lösen wollen, sollten sie bei sich zu Hause anfangen.“

Positive Effekte der Freiwilligenarbeit

Doch Freiwilligenarbeit bietet auch Potenzial, denn Freiwillige können durch ihre Nachfrage auch Arbeitsplätze schaffen. Durch ihren Aufenthalt in möglicherweise eher touristenarmen Regionen schaffen sie Arbeitsplätze für ihre Betreuung, Unterkünfte, Verpflegung und ihre Freizeitaktivitäten. Da sie auch ausgehen oder Souvenirs kaufen, stellen sie eine wichtige Kaufkraft für den Tourismus dar. Darüber hinaus könnte eine neue Zielsetzung der Freiwilligenarbeit typische koloniale Denkmuster aufbrechen: die Reise sollte dabei nicht mit dem Gedanken angetreten werden, den Menschen vor Ort zu helfen, sondern von den Menschen vor Ort zu lernen. Dabei sollte auch das eigene Ablichten mit Kindern vor Ort zur Selbstinszenierung kritisch hinterfragt werden, da es auf koloniale Denkmuster hinweist.

Verbesserungsbedarf bei Freiwilligeneinsätzen

Oft ist die Einsatzdauer von Freiwilligen zu kurz. Um Freiwillige gut einarbeiten zu können, so dass sie ihre Aufgaben auch selbstständig bewerkstelligen können, sollten Organisationen, die Freiwilligeneinsätze anbieten, einen Mindestaufenthalt festlegen. Ebenso sollten Freiwillige für bestimmte Einsatzbereiche Qualifikationen nachweisen. Das betrifft besonders Einsatzbereiche im Gesundheitswesen oder mit Kindern. So können beide Seiten durch einen Wissensaustausch profitieren. Sophie Otiende, eine kenianische Aktivistin, die sich für Opfer von Menschenhandel einsetzt, findet daher eine Mindesteinsatzdauer für Freiwilligendienste von 6 Monaten und entsprechende Qualifikation durch eine Ausbildung oder ein Studium angemessen.

Ebenso liegt die Entscheidungsmacht über logistische, aber auch thematische Schwerpunkte im Freiwilligendienst oft bei den Organisationen im globalen Norden. Die Organisationen im globalen Süden sollten dabei jedoch über ein Mitspracherecht verfügen. Sie wissen am besten, wie sie die Freiwilligen integrieren können und welche finanziellen Möglichkeiten sie dazu haben. Die Entscheidung über die Höhe des Taschengeldes und die Einsatzbereiche der Freiwilligen sollte dabei bei den Organisationen im globalen Süden liegen.

Ebenso sollte ein gleichwertiger Austausch von Freiwilligendienstleistenden stattfinden (Nord-Süd-Austausch). Das heißt, dass nicht nur Freiwillige aus dem globalen Norden in den globalen Süden entsendet werden, sondern auch aus dem globalen Süden in den globalen Norden. Zurzeit stehen diesem Vorhaben jedoch noch erhebliche Hindernisse im Weg. So besteht zum Beispiel ein unvorteilhafter finanzieller Wechselkurs für Freiwillige aus dem globalen Süden im globalen Norden. Darüber hinaus haben sie im globalen Norden, anders als weiße Menschen im globalen Süden, aufgrund anderer Merkmale, wie ihrer Hautfarbe, oft mit Vorurteilen zu kämpfen.

Quellen:

Glokal (o.J.): Das Märchen von der Augenhöhe

Hoffmann, H. (15.01.2021): »Es braucht keine Weißen, die zeigen, wo es langgeht«

Hurtz, S. (12.06.2012): Im Slum auf Selbstsuche.

Orbach, S. (17.05.2017): Gut gemeinte Freiwilligenarbeit kann Schaden anrichten. ein Interview von Deutschlandfunk Nova

Parbey, C. (24.10.21): Entwicklungshilfe: „Zu allem Überfluss sollen wir Dankbarkeit zeigen“

Verfasst am 16.12.2021