Weltklimarat: So drastisch und ehrlich wie nie

Laurence Tubiana von der European Climate Foundation, bezeichnete den Bericht als "brutal".

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Toter Schmetterling auf Ascheboden

Weltklimarat: So drastisch und ehrlich wie nie

Heute um 12:00 Uhr ist der neue Bericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change oder kurz: IPCC, Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) veröffentlicht worden. Es ist der 2. Band (WGII) des 6. Sachstandsberichts (AR6). Nie zuvor hat der Weltklimarat so ehrlich über die drastischen Folgen der menschengemachten Klimakrise für Mensch und Natur kommuniziert. Doch was ist der Weltklimarat überhaupt?

Geschichte und Einordnung des Klimarats

Der Weltklimarat wurde im November 1988 von der WMO (Weltorganisation für Meteorologie sowie Vereinten Nationen (UNEP) als Antwort auf die im Jahre 1972 erschienene Studie des Club of Rome gegründet. In dieser Studie wurde erstmalig ein Katastrophenszenario kommuniziert: „Im Laufe der nächsten hundert Jahre werden die absoluten Grenzen des Wachstums auf der Erde erreicht, wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen unverändert anhält (1).“

Als Grund, die Klimakrise bisher nicht grundlegend angegangen zu sein, wurde die tiefe Verstrickung der fossilen Lobbyindustrie bis weit in die Politik herausgestellt. Demzufolge sollte die Klimapolitik aus dem politischen Alltagsgeschäft getrennt werden. „Statt dessen sollte eine unabhängige Agentur mit einem Mandat beauftragt werden, um die notwendigen Maßnahmen für den Wandel zu einer kohlenstoffarme Entwicklung umzusetzen“ (1). Der IPCC bietet jedoch lediglich die Grundlage für die aktuell noch gänzlich fehlenden wissenschaftsbasierten politischen Entscheidungen. Er zeigt unterschiedliche Handlungsoptionen sowie deren Bedeutungen auf, ohne jedoch konkrete Handlungsempfehlungen vorzugeben.

Fakt ist: seit seiner Gründung hat der IPCC mehrfach in seinen Berichten die Klimakrise unterschätzt. Grund ist, dass das Gremium einen sogenannten „unbedingt verlässlichen Überblick über die aktuelle Fachliteratur“ sprich – einen Konses – bieten soll und die Schlussfolgerungen somit als konservativ zu bewerten sind (3). 

Bundespressekonferenz

Um 15:00 Uhr wird die nationale Vorstellung des Weltklimarat-Berichts in der Bundespressekonferenz mit Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt Dr. Anna Lührmann,  Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner (Ko-Vorsitzender IPCC-Arbeitsgruppe II) und Prof. Jörn Birkmann (Koordinierender Leitautor AR6-WGII) stattfinden.

Die von den Regierungen verabschiedete Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung (Summary for Policymakers, SPM) und die deutsche Übersetzung der Hauptaussagen (headline statements) sowie weitere Informationen zum Bericht sind ab Beginn der Pressekonferenz auf der Webseite der Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle zum AR6-WGII zu finden (2).

Was steht drin?

Veröffentlicht wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppe II: Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit. Darauf folgen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe III zu dem Thema „Minderung des Klimawandels“ in der Zeit vom 21.03.- 01.04.22. Vom 26. – 28. September 2022 wird dann die Zusammenfassung (der sogenannte Synthesebericht) verabschiedet. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe 1, über die naturwissenschaftlichen Grundlagen, wurde im August 2021 veröffentlicht.

UN Generalsekretär António Guterres mahnt: Die Menschen werden von der Klimakrise erschlagen. Die Fakten sind unbestreitbar und „the abdication of climate leadership is criminal.“ (4)

Die umfassende Bewertung, die sich auf 34 000 Studien stützt, besagt u. a.:

  • die Klimakrise hat weit verbreitete und allgegenwärtige Auswirkungen auf Mensch und Natur durch immer häufigere und intensivere Hitzewellen, Dürren, Waldbrände, Stürme und Überschwemmungen. Einige Auswirkungen sind inzwischen unumkehrbar.
  • die Klimakrise schreitet schneller voran als bisher von der Wissenschaft angenommen
  • neben der Bekämpfung der der Klimaauswirkungen ist die Klimakrise untrennbar mit der Krise der biologischen Vielfalt und der Armut und Ungleichheit von Milliarden von Menschen verbunden
  • bereits jetzt sind 3,5 Milliarden Menschen durch die Auswirkungen der Klimakrise stark gefährdet
  • die Hälfte der Weltbevölkerung leidet jedes Jahr irgendwann unter schwerem Wassermangel
  • einer von drei Menschen ist tödlichem Hitzestress ausgesetzt, bis zum Ende des Jahrhunderts wird dies voraussichtlich auf 50 bis 75 % ansteigen.
  • mit jedem Jahr sind eine halbe Million Menschen mehr von schweren Überschwemmungen bedroht
  • um die Widerstandsfähigkeit der Natur auf globaler Ebene zu erhalten, müssen 30 bis 50 % der Land-, Süßwasser- und Ozeanflächen der Erde erhalten werden
  • um ein Klimachaos zu verhindern, seien „Ungleichheiten wie die aufgrund von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Behinderung, Alter, Wohnort und Einkommen“ unabdingbar zu bekämpfen

Der IPCC weiter: „Das Ziel einer klimaresistenten, nachhaltigen Welt erfordert grundlegende Veränderungen in der Art und Weise, wie die Gesellschaft funktioniert, einschließlich Veränderungen der zugrunde liegenden Werte, Weltanschauungen, Ideologien, sozialen Strukturen, politischen und wirtschaftlichen Systeme und Machtverhältnisse. Dies mag sich zunächst überwältigend anfühlen, aber die Welt verändert sich ohnehin – eine klimaresiliente Entwicklung bietet uns Möglichkeiten, den Wandel voranzutreiben, um das Wohlergehen aller zu verbessern.”

Olaf Scholz und der IPCC

Wie hängen die beiden zusammen? Olaf Scholz leitet dieses Jahr die G7, den Club der reichsten Länder der Welt und hat „Fortschritt für eine gerechte Welt“ versprochen (5). Aber bis jetzt haben die G7 ihre Versprechen nicht gehalten. Der Globale Süden braucht dringend Hilfe beim Wiederaufbau nach Naturkatastrophen und bei der Anpassung an verheerende Folgen der Klimakrise. Klimagerechtigkeit muss auf die Agenda des G7. Nur so könnte Olaf Scholz der Welt zeigen, dass seine Worte keine hohlen Phrasen sind, sondern Deutschland eine solidarische und verlässliche Partner*in ist.

Quellen:

(1) ecologic/ 2052. Der neue Bericht an den Club of Rome – Sind Demokratie und Kapitalismus den zukünftigen globalen Herausforderungen gewachsen? vom 06.12.2012

(2) Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle/ Arbeitsgruppe II: Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit vom 28.02.2022

(3) Klimafakten.de/ Fakten statt Behautungen vom 02.2015

(4) United Nations/ Secretary-General von 28.02.2022

(5) G7 Germany/ Präsidentschaftsprogramm vom 21.01.2022

(6) The Guardien/ This climate crisis report asks: what is at stake? In short, everything vom 28.02.2022

Verfasst am 28.02.2022