Zwischen Hilfe und Belastung: Die Realität der Altkleiderspenden

Altkleiderspenden überschwemmen afrikanische Märkte und setzen die lokalen Textilindustrien unter Druck.

Viele Menschen entsorgen ihre getragene Kleidung häufig guten Gewissens in Altkleidercontainern. In Deutschland sind das ca. 40 Kleidungsstücke im Durchschnitt pro Person pro Jahr. Sie hoffen damit, die Probleme des eigenen Überkonsums zu lösen und bedürftigen Personen zu helfen, die die volle Lebensdauer der Kleidung ausschöpfen sollen. Doch die Realität sieht oft anders aus. Gut gemeinte Kleiderspenden können oft negative Konsequenzen haben, die sowohl ökonomische als auch ökologische Aspekte betreffen.

Was passiert mit Kleiderspenden aus Altkleidercontainern?

Nur etwa zehn Prozent der Altkleider aus den Containern erreichen tatsächlich Bedürftige. Der Rest wird von kommerziellen Altkleidersammlern aufgekauft. Das Rote Kreuz erzielt jährlich etwa 13,5 Millionen Euro durch den Verkauf der übrigen Altkleiderspenden, die es in wohltätige Zwecke investiert. Den Großteil des Umsatzes macht das Rote Kreuz mit hochwertiger Altkleidung, die in Deutschland oder Westeuropa verkauft wird; das sind jedoch nur 2-4 Prozent der Kleidung. Weitere zehn Prozent der Kleidung landen im Müll, 40 Prozent werden recycelt oder zu Putzlappen verarbeitet und die übrigen 40 Prozent werden nach Afrika exportiert. Dort überschwemmen sie die Märkte, weil die Händler aus den Abnehmerländern gezwungen sind, ganze Kleidungsblöcke zu kaufen, ohne die Qualität und Brauchbarkeit des Inhalts zu kennen.

Konkurrenz für die lokale Textilindustrie 

In Süd-, West- und Ostafrika, wo Länder wie Mali, Benin und Burkina Faso zu den Hauptbaumwollproduzenten gehören, existiert kaum eine Textilindustrie, die den Rohstoff verarbeiten könnte. Das beeinträchtigt die Wirtschaft der Länder erheblich, denn die industrielle Verarbeitung von Rohstoffen schafft mehr Wertschöpfung als deren bloßer Anbau. Unter anderem um ihre bereits kleine lokale Textilindustrie zu schützen haben viele Länder in der Vergangenheit Einfuhrverbote für Altkleider erlassen. So verbot Nigeria die Einfuhr um die Jahrtausendwende. Im Jahr 2016 kündigte auch die Ostafrikanische Gemeinschaft an, die Einfuhr von Altkleidern, Schuhen und Lederwaren zu stoppen. Die USA – der weltweit größte Altkleider-Exporteur – drohten daraufhin mit einem Handelskrieg, was viele Staaten dazu brachte, nachzugeben. Die Ausnahmen blieb Ruanda, das 2019 ein vollständiges Verbot durchsetzte. Letztes Jahr zog Uganda nach und setze ebenfalls ein vollständiges Verbot um.

Die Entscheidung der Länder für Einfuhrverbote unterstreicht das Ausmaß, in dem die Entwicklung der lokalen Textilindustrie durch Altkleider gefährdet wird. Denn die gespendeten Altkleider haben schon in der Anschaffung einen preislichen Vorsprung und setzen lokale Produzenten unter Preisdruck, was wiederum deren Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit einschränkt.

Kritik und Alternativen

Angesichts der Schwierigkeiten, die ein Einfuhrverbot mit sich bringt, fordern Viele jedoch Alternativen zum Einfuhrverbot. So betont beispielsweise Bobby Kolade, ein ugandischer Modedesigner, gegenüber The Guardian, dass sich in Uganda über Jahrzehnte kreative Praktiken entwickelt haben, um mit gebrauchter Ware Geld zu verdienen. Er schlägt vor, dieses Potenzial weiterhin zu nutzen und die Fähigkeiten des Landes einzusetzen, um Textilien neu zu gestalten und wiederzuverwenden. Sein Unternehmen konzentriert sich darauf, Secondhand-Kleidung neu zu designen und in den Globalen Norden zurückzuführen. Anstatt eine Fast-Fashion-Industrie aufzubauen, hält Kolade es für sinnvoller, kleinere, nachhaltige Industrien zu entwickeln, wie die Unterstützung ugandischer Seidenbauern, die Wiedereinführung des Handwebens bei ländlichen Frauengruppen, die Stärkung der Baumwollindustrie sowie Investitionen in die Produktion nachhaltiger Fasern aus Hanf und Bambus.

Die dargestellten Ansätze zur Stärkung der Textilindustrie zeigen, dass es eine Spannbreite von Lösungen gibt, die von eigenen Fast Fashion Fabriken bis zu nachhaltigen Lösungen für die Kleiderproduktion reichen. Für uns in Deutschland lautet der Appell, sorgfältig zu überlegen, welche Kleidung wir in die Altkleidercontainer geben. Es ist in keiner Weise sinnvoll, T-Shirts, die unter den Achseln gelb geworden sind, in andere Teile der Welt zu verlagern.

Quellen

  1. Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit: Baumwollanbau – auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. (November 2019)
  2. Deutsche Welle: Der Altkleider-Wahnsinn (November 2018)
  3. Kampagne für Saubere Kleidung: Bekleidungsindustrie in Afrika – von der Baumwolle zur Mode (Dezember 2023)
  4. Fashion United: Uganda verbietet die Einfuhr von Altkleidern aus Europa und den USA (August 2023)
  5. Deutschlandfunk: Nigeria kämpft trotz Importverbot mit Altkleiderschwemme (Juli 2018)
  6. Welt: Müll statt Spende – Billige Kleidung aus Europa wird zum Problem für Afrika (April 2022)
  7. The Guardian: A ban on used clothing imports isn’t the answer – Uganda must find homegrown solutions (September 2023)
  8. The Guardian: Stop dumping your cast-offs on us, Ghanaian clothes traders tell EU (Mai 2023)

Verfasst am 25. März 2024