Im 16. Jahrhundert begann die Zeit des Kolonialismus und Imperialismus - eine Zeit, in der europäische Länder andere Teile der Erde eroberten, systematisch unterdrückten und ausbeuteten. Die führenden europäischen Großmächte gingen sogar so weit, ganze Kontinente untereinander vertraglich zu teilen. Während der Berliner Konferenz von 1884–1885 wurde Afrika unter den europäischen Staaten aufgeteilt - ohne Rücksicht auf die kulturellen, sprachlichen und ethnischen Grenzen der dort lebenden Bevölkerungen.Motive für KolonialismusFür Kolonialismus gab es verschiedene Motive, darunter die Erweiterung des eigenen politischen Machtbereichs, die wirtschaftliche Ausbeutung der Regionen sowie die Suche nach neuen Absatzmärkten und Rohstoffen. Europäische Mächte nutzten Ressourcen, Arbeitskräfte und Märkte Afrikas, um ihre eigenen Wirtschaften anzukurbeln. Auch Deutschland hatte von 1884-1919 eigene Kolonien in Afrika, darunter das heutige Namibia, Kamerun, Togo, Tansania, Ruanda, Burundi, Ghana und einen Teil von Nigeria. In den Kolonien wurde die lokale Bevölkerung häufig brutal unterdrückt, versklavt und teils sogar systematisch umgebracht. Ein besonders grausames Beispiel ist der Völkermord an den Herero und Nama zwischen 1905 und 1908 im heutigen Namibia, für den das Deutsche Kaiserreich verantwortlich war.Ehemalige Deutsche Kolonien in AfrikaRassismus als ScheinlegitimationRassismus ist ein gedankliches Konstrukt, das eng mit der Kolonialgeschichte verknüpft ist. Um in der Bevölkerung Unterstützung und eine breitere Akzeptanz für Kolonialismus und Sklaverei zu erlangen, versuchten Europäische Mächte, eine moralische Rechtfertigung für die Kolonialherrschaft zu schaffen. Wichtig dafür war vor allem die sogenannte “Rassentheorie” – eine heute vollständig widerlegte Vorstellung, die Menschen nach ihrer Hautfarbe kategorisierte und hierarchisierte und dabei weiße Menschen fälschlicherweise als intelligenter und fortschrittlicher darstellte. Im Gegensatz dazu wurde das Bild eines angeblich homogenen, primitiven und unterlegenen Afrikas kreiert, das durch westliche Reformen "zivilisiert" werden müsse – eine Darstellung, die der Realität vor Ort in keiner Weise gerecht wurde.Rassismus ist ein gedankliches Konstrukt, das zur moralischen Legitimation von Kolonialisierung genutzt wurde.Kulturalistischer RassismusEin wichtiger Bestandteil von Rassismus ist die Etablierung der „Andersartigkeit“, bei der europäische Gesellschaften als dynamisch und fortschrittlich und außereuropäische Kulturen als rückständig und naturgebunden dargestellt wurden. Europäische Mächte stellten den afrikanischen Kontinent gezielt als primitiv dar und behaupteten, dass die dortigen Gesellschaften nicht in der Lage seien, komplexe Strukturen oder Technologien eigenständig zu entwickeln. Indigene Wissenssysteme, komplexe gesellschaftliche und politische Strukturen vor Ort sowie zahlreiche Traditionen wurden dabei systematisch ignoriert, abgewertet und verdrängt.SpracheAuch Sprache spielt in diesem Kontext eine wichtige Rolle, denn sie wurde aktiv genutzt um rassistische Ideen widerzuspiegeln und zu verstärken. In kolonialen Berichten und Darstellungen wurden die Kolonien häufig abwertend als „unzivilisiert“ beschrieben – mit Begriffen wie „wilde Völker“, „Eingeborene“ oder „Häuptlinge“, die gezielt auf eine Hierarchisierung zwischen europäischen und afrikanischen Gesellschaften abzielten. Diese Worte sollten gesellschaftliche Strukturen in den Kolonien als “zurückgeblieben” oder archaisch und statisch darstellen - immer im Gegensatz zur vermeintlich "fortgeschrittenen" europäischen Zivilisation. Allerdings wurden diese Begriffe nicht nur im Alltag, sondern auch in wissenschaftlichen oder administrativen Texten verwendet. Obwohl sie als überholt und veraltet gelten, findet man sie noch heute in einigen Texten. Gleichzeitig wurden lokale Sprachen als “minderwertig” und “einfach” betitelt. Beispielsweise wurde eine Vielzahl an komplexen, unterschiedlichen Sprachen, die unter anderem mit „Click“-Lauten gesprochen werden, als „Klicksprachen“ bezeichnet. Der Begriff „Klicksprache“ ruft jedoch schnell die Vorstellung hervor, dass es sich nur um einfache oder tierähnliche Laute handelt – und wirkt dadurch entwertend. Tatsächlich gehören viele dieser Sprachen, wie die Khoisansprachen, zu den komplexesten der Welt. Während der Kolonialzeit wurden jedoch europäische Sprachen wie Englisch, Französisch und Deutsch in die Kolonien eingeführt – viele dieser Sprachen werden noch immer in den nun unabhängigen Staaten gesprochen, und führen häufig zu einer Marginalisierung afrikanischer Sprachen vor Ort.Pseudo-Wissenschaftlicher RassismusNoch heute lagern in wissen-schaftlichen Sammlungen allein in Berlin noch rund 8.000 menschliche Schädel aus kolonialen Kontexten.Im 19. Jahrhundert wurde sogar versucht, die “Rassentheorie”, also die angebliche Überlegenheit der “weißen Rasse” durch pseudo-wissenschaftliche Vermessungen von Körpern und Schädeln und die Analyse von Verhaltensweisen zu beweisen. Über viele Jahre wurden dafür Schädel von Opfern der deutschen Kolonialherrschaft zu vermeintlichen Forschungszwecken nach Deutschland geschickt, beispielsweise aus dem Konzentrationslager “Shark-Island” im heutigen Namibia. Noch heute lagern in wissenschaftlichen Sammlungen allein in Berlin etwa 8.000 menschliche Schädel aus aller Welt. Biologisch nachweisbar war natürlich keine dieser Theorien.Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung Die deutsche Kolonialvergangenheit wird bis heute nur zögerlich aufgearbeitet. Häufig fehlt das Thema in den Lehrplänen und auch in der politischen Auseinandersetzung spielt die historische Verantwortung gegenüber den ehemaligen Kolonien oft nur eine untergeordnete Rolle. Dabei wirken die Folgen der Kolonialzeit bis in die Gegenwart hinein: rassistisch geprägte Worte sind weiterhin Teil der deutschen Sprache und zahlreiche Straßennamen und Denkmäler ehren beispielsweise noch immer ehemalige Kolonialherren - sowohl in Deutschland als auch in den ehemaligen Kolonien. Expert*innen argumentieren, dass diese die Kolonialzeit glorifizieren. Einige von ihnen fordern daher das vollständige Ersetzen kolonialer Straßennamen und Denkmäler, während andere dafür plädieren, Plaketten anzubringen, die die historischen Hintergründe erklären. Beide Ansätze betonen die Notwendigkeit, sich kritisch mit kolonialem Erbe auseinanderzusetzen.Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus: Umbenennung von StraßennamenIn diesem Zusammenhang war ein wichtiger Schritt in Richtung Aufarbeitung etwa die Umbenennung der Lüderitzstraße in Berlin in Cornelius-Fredericks-Straße. Adolf Lüderitz war ein deutscher Kaufmann und Kolonialpolitiker in der deutschen Kolonie "Deutsch-Südwestafrika" (heutiges Namibia). Cornelius Frederiks hingegen war Freiheitskämpfer im Aufstand der Nama gegen die deutsche Kolonialherrschaft.Auch auf politischer Ebene fand erst sehr spät eine Aufarbeitung der Kolonialzeit statt. 2021 bekannte sich die deutsche Regierung offiziell zum Völkermord an den Herero und Nama in der ehemaligen Kolonie "Deutsch-Südwestafrika" (heute Namibia) - erst ca. 100 Jahren nachdem dieser stattgefunden hat. Noch immer wird an einer finanziellen Entschädigung von Deutschland an Namibia gearbeitet, eine vielgeforderte offizielle Entschuldigung der deutschen Regierung bleibt jedoch weiterhin aus. Letztlich ist auch die Rückführung von gestohlenen Kulturgütern sowie von Schädeln und Skeletten ein wichtiges Thema, mit dem sich Museen und wissenschaftliche Institute seit Jahren auseinandersetzen müssen. Es bleibt essenziell, dass wir uns weiterhin kritisch mit unserer eigenen Geschichte auseinandersetzen. Das bedeutet, koloniale Machtstrukturen und rassistisches Denken zu reflektieren – in der Sprache, in der Bildung, im öffentlichen Raum und in der Erinnerungskultur. Nur so kann ein Bewusstsein für historische Verantwortung entstehen und Rassismus in all seinen Formen langfristig bekämpft werden. QuellenArndt, Susan; Bundeszentrale für Politische Bildung: Kolonialismus, Rassismus und Sprache (Juli 2024)Deutschlandfunk Nova: Die Kongokonferenz in Berlin (November 2024)Fischer-Tine, Harald; Bundeszentrale für Politische Bildung: Rassentheorien und Rassismus in Asien im 19. und 20. Jahrhundert (Dezember 2015)Heinrich Böll Stiftung: Verflechtung von Sprache, Macht und Rassismus (April 2023)Heller, Lydia und Peşmen, Azadê; Deutschlandfunk: Über die rassistischen Wurzeln von Wissenschaft (Juni 2020)Seitz, Petra; Fernuniversität Hagen: Postkoloniale Straßennamen in Berlin (Letzter Zugriff 19.03.2025)Verfasst am 19. März 2025