Eine Eisenbahn für Wirtschaftswachstum

Auf neuen Gleisen in die Zukunft: Agenda 2063 strebt eine vereinte Entwicklung durch ein kontinentweites Schienennetz an.

Eine Vision für 50 Jahre Entwicklung

Im Jahr 2013 hat die Afrikanische Union zu ihrem 50. Jubiläum eine Vision für die nächsten 50 Jahre ausgearbeitet – die Agenda 2063. Sie sieht eine sozio-ökonomische Transformation Afrikas durch Beschleunigung von Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung vor. Im Mittelpunkt der Vision steht der Panafrikanismus, der auf Kooperation, Selbstbestimmung, Freiheit, Fortschritt und gemeinsamen Wohlstand auf dem afrikanischen Kontinent abzielt. Eine wichtige Aufgabe auf dem Weg dahin ist es, den gesamten afrikanischen Kontinent physisch und wirtschaftlich zu verbinden und zu vereinheitlichen. Ein ausgebautes Schienennetz soll dabei helfen.

Verkehrsinfrastruktur notwendig für wirtschaftliches Wachstum

Für eine wachsende wirtschaftliche Zusammenarbeit innerhalb Afrikas ist eine gute Verkehrsinfrastruktur unabdingbar. Durch den Ausbau von Straßen und Eisenbahnen lassen sich die Transportkosten senken, was Industrie, Landwirtschaft und den Bergbau begünstigt. Zudem ist ein flexibler Personenverkehr wichtig für den Wissensaustausch und eine optimale Verteilung von Arbeitskräften zu Orten, an denen sie aktuell benötigt werden. Ein gut vernetzter Binnenmarkt verringert Afrikas Abhängigkeit von Importen und Exporten außerhalb des Kontinents. Deshalb ist eine Initiative zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur das Rückgrat der Agenda 2063.

Africa Integrated High Speed Railway (AIHSR)

Das geplante Megaprojekt zum Ausbau eines Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnsystems trägt den Namen Africa Integrated High Speed Railway (AIHSR). Dieses Schienennetz soll die Binnenländer, die keinen Hafenzugang haben, an die Küste anschließen, sowie die Hauptstädte miteinander verbinden und Ost-West-/ Nord-Süd-Landbrücken bilden. Es handelt sich dabei nicht um einen umfassenden Plan für den gesamten Eisenbahnverkehr in Afrika, sondern speziell um ein Konzept für den Hochgeschwindigkeitszugverkehr über weite Strecken. Und Afrika zeichnet sich durch seine langen Strecken aus. Von Kairo bis zum Kap der Guten Hoffnung sind es mehr als 10.000 Kilometer. Zum Vergleich: die Nord-Süd-Ausdehnung Europas misst lediglich ca. 4000km.

Jeder Eisenbahnbau oder -ausbau soll die wirtschaftliche Entwicklung entlang der Strecke fördern, indem er Städte und Gemeinden miteinander verbindet, den Handel erleichtert, den Zugang zu Märkten verbessert, zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt und im Endeffekt zur Erhöhung des Lebensstandards der Menschen beiträgt.

Eisenbahnsystem heute

Zurzeit ist Personenverkehr und Gütertransport in Afrika aufgrund des dünnen Schienennetzes sehr aufwändig. Im weltweiten Vergleich, wo die durchschnittliche Netzwerkdichte bei 23 km pro 1000 Quadratkilometern liegt, beträgt diese in Afrika nur etwa 2,3 km pro 1000 Quadratkilometern und erreicht durchschnittliche Geschwindigkeiten von nur 30 bis 35 km/h. Ein großer Teil des Netzes stammt noch aus der Kolonialzeit und ist daher nicht auf den Handel innerhalb Afrikas ausgerichtet, sondern für den Transport von Rohstoffen vom Landesinneren an die Häfen. Diese Funktion manifestiert sich in einzelnen Linien, die von den Küstenhäfen ins Landesinnere führen, mit wenig Verbindungen untereinander. Bislang konnte der Großteil des Kontinents keine integrierten Eisenbahnsysteme entwickeln, da Weichenstellungen und technische Normen sich häufig stark unterscheiden und somit keine Verknüpfungen zulassen. Dennoch existieren Ausnahmen: In Südafrika und bestimmten Regionen Nord- und Ostafrikas sowie bei den spezifischen Eisenbahnverbindungen zwischen Burkina Faso und der Elfenbeinküste, Senegal-Mali sowie Äthiopien-Dschibuti wurde eine erfolgreiche Integration erreicht.

Insgesamt beeinträchtigt die geringe Vernetzung den intra-afrikanischen Handel, der nur 16 Prozent des gesamten Handelsvolumens des Kontinents ausmacht, während der intra-europäische Handel bei 69 Prozent liegt, der asiatische bei 58 Prozent und der nordamerikanische bei 48 Prozent.

Aktueller Stand

Seit 2018 ist Afrikas erster Schnellzug fertig und schafft die Reise zwischen den marokkanischen Städten Tanger und Casablanca in unter zwei Stunden. Allerdings schreiten weitere Projekte nur schleppend voran. Die Herausforderungen beim Ausbau neuer Eisenbahnlinien sind zahlreich, einschließlich eines Mangels an Finanzierungsmodellen. Bis zum Jahr 2033, dem Ende der ersten Frist, sollen 19 der geplanten 81 Verbindungen fertiggestellt sein. Doch bis dahin sind im besten Fall 60 bis 70 Prozent dieser geplanten Ziele zu erwarten. Ibrah Wahabou, Leiter der AU-Entwicklungsagentur „NEPAD“, äußert in einem Interview gegenüber Railway Africa, dass für den Erfolg eines flächendeckenden Schienennetzausbaus die Ambitionen womöglich sogar heruntergeschraubt werden und Züge mit herkömmlicher Geschwindigkeit als ausreichend betrachtet werden müssen. Doch ob mit Hochgeschwindigkeit oder nicht, ein ausgebautes Schienennetz ebnet den Weg für ein nachhaltiges Wachstum in Afrika.

Quellen

  1. Arica and the world: AU Demands: African Integrated High Speed Railway Network (Juli 2019)
  2. African Union: Towards the African integrated high speed railway network (AIHSRN) developen (o.D.)
  3. Deutsche Welle: Afrikas Bahnprojekt kämpft gegen Verspätung (September 2022)
  4. Youtube: CPCS / 19-223 / Animation fine-cut (EN) (v11) (Dezember 2019)
  5. Youtube: Unveiling Africa’s Railway Future: Exclusive Interview with Ibrah Wahabou, AUDA-NEPAD (Januar 2024)

Verfasst am 25. März 2024