Der Mythos der „Überbevölkerung“ als Ursache für Klimakrise und Hungerkatastrophen

Bevölkerungswachstum wird häufig als Ursache für Klimakrise und Hungerkatastrophen genannt. Das ist nicht nur faktisch falsch, sondern schürt Angst und füttert menschenverachtende Narrative.

Weitersagen

Der Mythos der „Überbevölkerung“ als Ursache für Klimakrise und Hungerkatastrophen

Ob Klimakrise oder Hungerkatastrophen: In der Diskussion über Ursachen und Auswirkungen globaler Probleme hält sich der Mythos der „Überbevölkerung“ hartnäckig. Die Logik dahinter: Zu viele Menschen verbrauchen zu viele Ressourcen und tragen zu einem Zuviel an CO2-Emmissionen bei. Die Eindämmung des Bevölkerungswachstum würde demnach Klimakrise und Hunger entgegenwirken. Diese Logik ist nicht nur oberflächlich und faktisch falsch, sie ist zudem oft rassistisch und menschenfeindlich. (1)  

Überbevölkerung ist nicht verantwortlich für die Klimakrise 

Die Weltbevölkerung ist in den letzten 500 Jahren von 500 Millionen auf mehr als acht Milliarden Menschen gestiegen. Gleichzeitig waren die CO2-Werte in der Atmosphäre noch nie so hoch wie heute. Einen Kausalzusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Klimakrise zu schlussfolgern, ist jedoch irreführend und leicht zu widerlegen. So ist Afrika momentan der Kontinent mit der höchsten Geburtenrate, knapp 18 Prozent der Weltbevölkerung leben hier. Gleichzeitig trägt der Kontinent aber nur etwa drei bis vier Prozent zu den weltweiten CO2-Emissionen bei. Die Gleichung „mehr Menschen = mehr CO2-Emissionen“ geht also nicht auf. Denn anders als das Argument nahelegt, trägt nicht jeder Mensch gleich viel zur Klimakrise bei. Ganz im Gegenteil. (2) 

Das Problem ist „Überkonsum“ nicht „Überbevölkerung“ 

Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Global Footprint Network leben besonders die Länder des Globalen Nordens über ihre Verhältnisse. So wären fast drei Erden notwendig, um den Ressourcenverbrauch nachhaltig zu ermöglichen, wenn alle Menschen so leben würden wie die Europäer*innen. Bevölkerungsreiche Staaten wie Nigeria und Äthiopien bleiben dagegen bisher unter der Nachhaltigkeitsschwelle von einer Erde. (3)  

Das Problem heißt also „Überkonsum“ und nicht „Überbevölkerung“. Denn das Produktions- und Konsumverhalten der Industrienationen trägt maßgeblich zur Klimakrise bei. Eng verbunden damit – zumindest zum Teil – sind auch die Ursachen von Hunger. So hat sich zum Beispiel in den Bemühungen zur Verringerung des Hungers in den letzten Jahren deutlich gezeigt, dass das Problem, trotz des Bevölkerungswachstums, nicht ein Mangel an Nahrungsmitteln ist, sondern vielmehr ein Problem der Effizienz des gesamten Produktions- und Verbrauchsprozesses, angefangen bei der Landnutzung. Denn als Reaktion auf die steigende Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten (vor allem im Globalen Norden) werden etwa 60 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Weidehaltung von Tieren genutzt. Im weiteren Verlauf des Verarbeitungsprozesses geht ein Drittel der produzierten Lebensmittel – also in etwa 1,3 Milliarden Tonnen pro Jahr – verloren und wird verschwendet. (4) Das Nicht-Vorhandensein von Ressourcen ist im Kern also nicht das Problem, sondern die Frage danach, wer sie verbraucht und wie. (5) 

Framing von „Überbevölkerung“ ist menschenfeindlich und rassistisch 

Die „Überbevölkerung“ zum Sündenbock der Klima- und Hungerkrise zu machen, ist also nicht nur falsch, es ist auch der Versuch, die Verantwortung zu verschieben – weg von den reichen Industrienationen hin zu den ärmeren Ländern des Globalen Südens. Darüber hinaus reproduziert das Framing das Problem tiefgreifender Ungleichheit und Rassismus, und macht den Weg frei für menschenverachtende Narrative. So schüren vor allem Rassist*innen ganz aktiv die Angst vor der sogenannten „Überbevölkerung“, um ihre Einstellungen und Taten zu rechtfertigen. (1)(5) 

Fakt ist, dass die Ursachen und Auswirkungen von Klimakrise und Hunger vielfältig und komplex sind. Einfache und schnelle Lösungen, wie es das Framing der „Überbevölkerung“ suggeriert, gibt es nicht. 

Quellen

(1) El Ouassil, Samira – Spiegel: Der Mythos der Überbevölkerung (November 2022) 

(2) Stich, Maria – Perspective Daily: Hört auf, den Mythos »Überbevölkerung« zu glauben! (Mai 2022)

(3) Earth Overshoot Day (Stand März 2023)

(4) UN Environmental Programme: How to feed 10 billion people (Juli 2020)

(5) Sepehr, Jana – Global Citizen: Wir werden immer mehr: 5 Mythen über das Wachstum der Welt (Juli 2018)

Verfasst am 21.3.2023