Schleuserhochburg Khartum

01.03.2016: Mit Einsätzen in der Ägais und auf dem Mittelmeer hat die Europäische Union den Schleppern den Krieg erklärt. Außerdem soll der umstrittene Khartum-Prozess dazu beitragen, die "illegale Migration" von Afrika nach Europa einzudämmen.

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Schleuserhochburg Khartum

Das Netzwerk der Schlepperbanden ist komplex, sie arbeiten weltweit und machen mit dem Menschenhandel und -schmuggel Milliarden. Die auf Hilfe angewiesenen Flüchtlinge zahlen Tausende von Dollar, um die gefährlichen Reisen auf maroden Booten antreten zu können. Oftmals werden sie von den Schleppern entführt und gefoltert. Das wohl wichtigste Drehkreuz dieses Menschenhandels ist die sudanesischen Hauptstadt Khartum.

Khartum-Prozess

Im Rahmen des so genannten Khartum-Prozess haben sich die Europäische Union und Regierungschefs der afrikanischen Länder, aus denen die meisten Flüchtlinge kommen, darauf geeinigt, vor Ort gegen Schlepperbanden vorzugehen. Unter anderem sollen Polizisten ausgebildet werden, um die Aktivitäten der Schlepper einzudämmen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren dieses Vorgehen, da sie der EU vorwerfen, mit Staatschefs zu kooperieren, die mit ihren Repressionen und Menschenrechtsverletzungen selber für die Flüchtlingszahlen verantwortlich sind und den Menschen oft keine Alternative als die Flucht lassen.

Das Abkommen wurde unter anderem mit dem Sudan, Ägypten, Äthiopien, Südsudan und Eritrea geschlossen. Gerade aus Eritrea fliehen täglich tausende Menschen aufgrund der katastrophalen Menschenrechtssituation – eine Million Eritreer befinden sich zurzeit im Exil – das ist ein Sechstel der gesamten Bevölkerung. Die Vereinten Nationen werfen der Militärdiktatur grobe Misshandlungen, gezielte Hinrichtungen, erzwungenen und zeitlich unbegrenzten Militärdienst und Vergewaltigungen vor. Die Organisation Human Rights Watch bezeichnet das drittärmste Land der Welt als „gigantisches Gefängnis“. Viele der Flüchtlinge schaffen es gerade einmal bis in den Sudan – von wo aus sie oft verschleppt und entführt werden.

Das Geschäft mit Flüchtlingen

Im Einzugsgebiet der Schleuser in Khartum liegen sechs der wichtigsten Herkunftsländer afrikanischer Flüchtlinge: Sudan, Südsudan, Eritrea, Somalia, die Demokratische Republik Kongo und die Zentralafrikanische Republik. In dieser Region sind laut der UN zurzeit rund vier Millionen Menschen auf der Flucht. Die meisten von ihnen fliehen vor Gewalt, Hunger und Perspektivlosigkeit in ihrem Land und sind auf der Suche nach einer besseren Zukunft in Europa oder Amerika. Viele von ihnen stranden in Khartum und leben dort in prekären Verhältnissen. In sogenannten Verbindungshäusern werden sie untergebracht, bis genügend Flüchtlinge zusammengekommen sind, um die sieben Tage lange Reise durch die Sahara in Richtung Libyen zu starten. Dort werden die Menschen den nächsten Schleppern übergeben, die sie nach Europa bringen sollen.

Massive Folterungen und Menschenrechtsverletzungen

Solange das Geld der Flüchtlinge ausreicht, haben sie noch etwas Einfluss auf die Destination ihrer Flucht. Sobald das Geld jedoch aufgebraucht ist, folgen oftmals Folter und Verschleppung. Laut den Vereinten Nationen sind seit 2009 bis zu 30.000 Flüchtlinge entführt und gefoltert worden, um Lösegeld bei den Familien zu erpressen. Das Durchschnittsalter der Betroffenen liegt gerade einmal bei 18 Jahren. Kinder werden als Kindersoldaten oder Sexklaven weiterverkauft. Das Netzwerk der Schlepper spannt sich vom Sudan und Eritrea bis hin nach Libyen, Ägypten und in die Golfstaaten.

Nichtsdestotrotz machen sich weltweit jeden Tag tausende Menschen auf die Flucht – was das Geschäft der Menschenhändler tragischer Weise weiter befeuert. Den Kampf der EU gegen die Schlepper zu gewinnen, könnte auf Grund der komplexen und weitreichenden Netzwerke der Menschenhändler weitaus komplizierter und langwieriger werden, als bisher geplant.

Solange es keine legalen und sicheren Einreisewege in die EU gibt, werden die Menschen auf gefährliche Fluchtrouten zurückgreifen müssen – und das Geschäft der Schlepper somit weiter ausbauen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung Magazin

Foto: LE Eithne Operation Triton, von Irish Defence Forces, CC BY 2.0