Sexuelle Orientierung = Lebensgefahr? – LGBTQIA*-Bewegungen in Afrika für die Rechte von queeren Menschen

Was tun, wenn öffentliches Händchenhalten eine Gefängnisstrafe nach sich zieht? Was tun, wenn die Todesstrafe droht, wenn man sich öffentlich zu seiner Sexualität bekennt? Für viele homosexuellen und trans* Menschen weltweit gehören diese Fragen zum Alltag. Neben vielen anderen Organisationen setzen sich auch Gruppen in afrikanischen Ländern für die Rechte von queeren Menschen ein! Wir stellen euch drei Beispiele vor.

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Sexuelle Orientierung = Lebensgefahr? – LGBTQIA*-Bewegungen in Afrika für die Rechte von queeren Menschen

Weltweit sieht sich die LGBTQIA* Community immer noch verheerender Diskrimierung ausgesetzt. In 66 Staaten wird Homosexualität kriminalisiert und mit hohen Gefängnisstrafen oder sogar der Todesstrafe sanktioniert. Aber nicht nur auf formaler Ebene sieht sich die queere Community erheblicher Diskriminierung ausgesetzt, auch Ausgrenzung und Gewalt gegenüber homosexuellen und trans* Menschen sind immer noch an der Tagesordnung. So nehmen die Zahlen von Angriffen auf und Gewalttaten gegenüber Zugehörigen der LGBTQIA* Community beispielsweise auch in Deutschland zu. In den USA wird aufgrund des zunehmenden politisch rechten Einflusses verstärkt ein Klima des Hasses gegenüber homosexuellen und trans* Menschen sichtbar. Durch den Erlass von Anti-LGBTQIA* Gesetzen in Staaten wie Florida, Tennessee oder Texas steigen Gewalt und Hass enorm an. 

Und auch in einigen Ländern des Globalen Südens verschlechtert sich die Situation queerer Menschen, so beispielsweise in Uganda. Dort wurde kürzlich ein Gesetz erlassen, welches in bestimmten Fällen für den Tatbestand der „schweren Homosexualität“ die Todesstrafe vorsieht. Aktivist*innen, die sich für die Rechte dieser Menschen einsetzen, droht außerdem eine Haftstrafe von bis zu 20 Jahren. Damit hat das Land eines der schärfsten Gesetze gegen homosexuelle Menschen und die LGBTQIA* Community weltweit. 

Es wird sehr deutlich, dass die Situation für queere Menschen überall auf der Welt angespannt und gefährlich ist. Gleichzeitig entstehen immer mehr Bewegungen und Organisationen, die sich gegen solche Entwicklungen stellen und Aufklärungs- und Empowermentarbeit leisten. Diese Entwicklung ist auch in afrikanischen Ländern zu beobachten. Aktivist*innenbewegungen engagieren sich mit Projekten und Veranstaltungen für die Rechte und gegen die Diskriminierung von queeren Menschen. Hier möchten wir drei von ihnen vorstellen:

National Gay und Lesbian Human Rights Commission

Eine von ihnen ist die National Gay und Lesbian Human Rights Commission, die sich in Kenia für die juristische Unterstützung von queeren Menschen einsetzt. Sie wurde 2012 von sechs jungen Jurist*innen in Kenia gegründet, um die Rechte von Frauen zu stärken und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zu verhindern. Sie leiten strategische Rechtsstreitigkeiten im Sinne der queeren Community ein, stellen Betroffenen Rechtsbeistand zur Seite und bieten Schulungen und Aufklärung über die Rechte und Bedürfnisse sexueller und geschlechtlicher Minderheiten in Kenia an. Dabei erreichte die Kommission erst kürzlich einen wichtigen Meilenstein, indem einer ihrer Klagen von Kenias Obersten Gerichtshof stattgegeben wurde, welche sich auf das Recht auf die Vereinigungsfreiheit als LGBTQIA* Organisation berief. Dieses stehe nach dem Gerichtsurteil der gesamten queeren Community als Menschenrecht zu. 

BOLD Network AFRICA

Das BOLD Network AFRICA versteht sich als Sprachrohr der queeren Community, um zu vermitteln, dass diese sich nicht nur durch ihre Sexualität definiere, sondern inspirierende Visionär*innen, Macher*innen und Gestalter*innen unter ihnen seien. Vor allem soll jedoch vermittelt und erreicht werden, dass sie als gleichwertige Menschen in den afrikanischen Gesellschaften wahrgenommen werden. Das Netzwerk wurde 2020 von Chris Muriithi gegründet, nachdem sie Erfahrungen von Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung machte. 

BOLD setzt sich auf unterschiedlichen Ebenen für queere Menschen ein. Zum einen versuchen sie den Menschen außerhalb der Community Geschichten und Lebensrealitäten der Community durch Filme und Dokumentationen näher zu bringen und somit Aufklärung und Offenheit für diese zu schaffen. Zum anderen bieten sie Trainings in afrikanischen Organisationen an, um das Umfeld, in dem queere Menschen arbeiten, integrativer, freundlicher und respektvoller zu gestalten. Es soll dazu beitragen, Mobbing am Arbeitsplatz aufgrund der sexuellen Orientierung zu verhindern und die Repräsentation queerer Menschen im professionellen Umfeld zu steigern. Außerdem unterstützt das Netzwerk Kreative und Künstler*innen des Kontinents bei ihrer Arbeit, afrikanische Geschichten durch Musik, Kunst und Mode zu erzählen. Musik und Kunst soll so zur Aufklärung beitragen und bestehende gesellschaftliche Normen verändern. 

Coalition of African Lesbians

Die Coalition of African Lesbians ist ein feministisches pan-afrikanisches Netzwerk aus 14 Organisationen, welche sich für Freiheit, Gerechtigkeit und körperliche Selbstbestimmung in zehn Ländern auf dem afrikanischen Kontinent einsetzt. Sie gründete sich bereits im Jahr 2004. Ihr Ziel ist es, die Stimmen vor allem von lesbischen, bisexuellen und trans* Frauen zu stärken. Sie wollen die zunehmende Gewalt gegenüber Frauen der LGBTQIA* Community bekämpfen und streben eine schärfere Verfolgung der Täter*innen an. Das allumfassende Ziel ist es, unterschiedlichste Kampagnen in den verschiedenen afrikanischen Ländern zu vernetzen und zu koordinieren, um  Gerechtigkeit für die Community auf kontinentaler Ebene zu fordern und zu fördern. 

Die Klage des Lehrers Letsweletse Motshidiemang gegen den Staat Botswana

Dank des Lehrers Letsweletse Motshidiemang hat sich auch die Situation der LGBTQIA* Community in Botswana verändert. Er klagte 2016 gegen den botswansichen Staat, da homosexuelle Handlungen im Land verboten waren. Ein solches Gesetz wollte er mit einer entsprechenden Klage kippen. Das Gesetz sah eine Gefängnisstrafe von bis zu sieben Jahren für solche Handlungen vor. Letsweletse Motshidiemang wollte als schwuler Mann nicht länger in Angst leben und ging gemeinsam mit einem Anwalt rechtlich gegen dieses Gesetz vor. Er gewann die Klage schließlich im Jahr 2019. Der Oberste Gerichtshof entkriminalisierte Homosexualität mit der Begründung, dass es sich „bei der sexuellen Ausrichtung um keine Modeerscheinung handele, sondern den Menschen angeboren sei“. 

Quellen: 

  1. LSVD – Lesben- und Schwulenverband: LGBT-RECHTE WELTWEIT: WO DROHT TODESSTRAFE ODER GEFÄNGNIS FÜR HOMOSEXUALITÄT? (Zugriff Juli 2023)  
  2. ZDF: „Auch in Deutschland längst nicht alles gut“ (Mai 2023)
  3. ZDF: LGBTQ-Community: Zielscheibe der Republikaner (Juni 2023)
  4. ZDF: Ugandas Präsident stimmt Anti-LGBTQ-Gesetz zu (Mai 2023)  
  5. Zeit: Afrikanisch, queer und selbstbewusst – Mut zur Sichtbarkeit (Juni 2022)
  6. National Gay & Lesbian Human Rights Commission (Stand August 2023)
  7. Heinrich Böll Stiftung: Kenia: Welchen Preis zahlt die LGBTIQ-Community für ihren Kampf gegen Diskriminierung? (März 2023)
  8. CAL Coalition – Instagram @calcoalition
  9. Sigrid Rausing Trust: Coalition of African Lesbians (Zugriff Juli 2023)  
  10. Bold Network Africa (Zugriff Juli 2023)
  11. Fluter: „Politik ist mir egal, ich wollte einfach frei sein“ (August 2023)

Verfasst am 04. August 2023