Trauer um Karlheinz Böhm, Gründer der Stiftung Menschen für Menschen

2.06.2014: Gründer der Stiftung Menschen für Menschen ist gestorben.

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Trauer um Karlheinz Böhm, Gründer der Stiftung Menschen für Menschen

Karlheinz Böhm, der Gründer und spätere Ehrenvorsitzende unserer Mitgliedsorganisation Stiftung Menschen für Menschen, der als Schauspieler berühmt wurde, verstarb am 29. Mai im Alter von 86 Jahren in seinem Wohnort in der Nähe von Salzburg.

GEMEINSAM FÜR AFRIKA trauert um Karlheinz Böhm, der Menschen für Menschen 1981 aus Wut über die Diskrepanz zwischen Arm und Reich gegründet hatte und sich über 30 Jahre lang für bessere Lebensbedingungen in Äthiopien einsetzte. 5 Millionen Menschen in Äthiopien profitieren heute von Karlheinz Böhms einzigartigem Lebenswerk.

Im Mittelpunkt der Arbeit von Menschen für Menschen stand für Karlheinz Böhm von jeher der Mensch: Hilfe zur Selbstentwicklung nannte er deshalb das Prinzip, nach dem die Organisation gemeinsam mit der Bevölkerung arbeitet. In so genannten „Integrierten ländlichen Projekten“ werden Maßnahmen aus den Bereichen Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft, Infrastruktur, Soziales und Frauenförderung so miteinander verzahnt, dass die Menschen sich selbst aus der Armut befreien können und somit Chancen für eine bessere Zukunft erhalten. Bis heute erreicht die Arbeit der Organisation rund 5 Millionen Äthiopierinnen und Äthiopier. Karlheinz Böhms Wunsch – eines Tages nicht mehr gebraucht zu werden – ging bereits in sechs Projektgebieten in Erfüllung: Hier konnten die Projekte in die Verantwortung der Bevölkerung übergeben werden.

Der Beginn von Menschen für Menschen

Bewegt von einem Afrika-Besuch in den 70er-Jahren und der zu diesem Zeitpunkt verheerenden Dürrekatastrophe in Äthiopien, startete Karlheinz Böhm in der Sendung „Wetten, dass..?“ vom 16. Mai 1981 seinen legendären TV-Aufruf. Er wettete, dass nicht „jeder dritte Zuschauer eine Mark, einen Schweizer Franken oder sieben österreichische Schillinge für die notleidenden Menschen in der Sahelzone spendet“. Er gewann – trotzdem kamen damals 1,2 Millionen Mark zusammen. Geld, mit dem er am 13. November 1981 die Organisation gründete und als erstes Projekt 1.500 Halbnomaden in vier neuen Dörfern im Erer-Tal ansiedelte. Aktuell arbeitet die Organisation in neun laufenden Projektgebieten. 771 Menschen für Menschen-Mitarbeiter entwickeln vor Ort gemeinsam mit der Bevölkerung durch den Bau von Schulen und Brunnen oder die Verbesserung von Anbau- und Viehzuchtmethoden bessere Lebensbedingungen und neue Perspektiven. Mit dem 2008 gestarteten Bildungsprogramm ABC-2015 haben Almaz und Karlheinz Böhm zudem die Weichen dafür gestellt, dass Menschen für Menschen den wichtigen Bereich Bildung als „Schlüssel für Entwicklung“ weiter stärkt.

Karlheinz Böhms Leitmotiv war die Wut über die ungerechte Verteilung zwischen Arm und Reich. Er sah Wut nicht als destruktive Kraft, sondern als Ansporn etwas zum Positiven zu verändern und zu handeln. Sein Ziel war es am Beispiel Äthiopiens zu zeigen, dass eine gerechtere Welt möglich ist. Die Bevölkerung Äthiopiens soll in einem überschaubaren Zeitraum befähigt werden, ihre Lebenssituation aus eigener Kraft zu verbessern, bis sie eines Tages keine Hilfe mehr benötig. Dieses Ziel hat er in beeindruckender Weise und mit großer Entschiedenheit verfolgt. Dabei war er nie bequem, stets kritisch, oft streitbar, aber immer zutiefst nahbar. Er verstand es wie kein Zweiter, Menschen für eine Sache zu begeistern und zu motivieren. Die Welt verliert mit Karlheinz Böhm einen Menschen, wie es sie nur selten gibt.

Für sein herausragendes Engagement und Lebenswerk wurde Karlheinz Böhm mit zahllosen Auszeichnungen und Würdigungen bedacht: So erhielt er unter anderem das Große Bundesverdienstkreuz am Bande von der Bundesrepublik Deutschland, das Große Goldene Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich, den Bayerischen Verdienstorden, die Ehrenmedaille in Gold der österreichischen Bundeshauptstadt Wien, den Save-the-World Award, den Bambi, das Filmband in Gold, die Berlinale Kamera und den UNESCO-Ehrenpreis. In Äthiopien wurde er 2003 als erster Ausländer mit der äthiopischen Ehrenstaatsbürgerschaft ausgezeichnet sowie mit Ehrendoktorwürden der äthiopischen Universitäten in Jimma und Alemaya. 2011 wurde aus Anlass des 30-jährigen Bestehens von Menschen für Menschen ein Platz in der Hauptstadt Addis Abeba nach Karlheinz Böhm benannt. Darüber hinaus wurde er 2007 „für sein Lebenswerk im Dienst der Humanität“ mit der höchstdotierten Friedensauszeichnung, dem Balzan-Preis, geehrt.

Zur Person

Am 16. März 1928 als einziger Sohn des berühmten Dirigenten Prof. Dr. Karl Böhm und der Sopranistin Thea Linhard in Darmstadt geboren, wuchs Karlheinz Böhm bedingt durch den Beruf des Vaters an mehreren Orten von Hamburg bis Dresden auf. Nach seinem Abitur 1947 in Graz begann Karlheinz Böhm, der sich immer als Weltbürger fühlte und neben der österreichischen Staatsbürgerschaft seit 2003 auch die äthiopische Ehrenstaatsbürgerschaft besaß, zunächst ein Studium der Philosophie und Philologie an der Universität Graz. Doch es zog ihn in die Schauspielerei. Über Regieassistenz und Schauspielunterricht kam Böhm 1948 zu einer ersten Rolle am Wiener Burgtheater – erste kleine Filmrollen in „Der Engel mit der Posaune“ (1948) und „Haus des Lebens“ (1952) folgten. 1952 gab ihm Arthur Rabenalt die Chance, sich neben Hildegard Knef und Erich von Stroheim in einer Hauptrolle zu beweisen („Alraune“). Internationale Berühmtheit erlangte Karlheinz Böhm mit seiner Filmrolle als Kaiser Franz Joseph an der Seite von Romy Schneider in der „Sissi“-Trilogie, 1955 bis 1957. Einen Kontrapunkt zum Image des „Sissi-Kaisers“ setzte er 1960 als Mark Lewis in Michael Powells aufsehenerregendem Psychodrama „Peeping Tom“ (Augen der Angst). Diesen Film, den das Publikum bei seiner Erstaufführung radikal ablehnte, zählt die New York Times heute zu den Top Ten der Film-Klassiker. Nach Gastspielen in Hollywood, Theaterengagements in Europa und eindrucksvollen Charakterrollen in Rainer Werner Faßbinder-Produktionen wie „Martha“ (1973) oder „Effi Briest“ (1974) nahm das Leben des Filmstars in den frühen 80er-Jahren aber eine entscheidende Wende.

Karlheinz Böhm leitete die Äthiopienhilfe bis ins Jahr 2011 persönlich. Ab November 2011 war er Ehrenvorsitzender von Menschen für Menschen. Seine Frau Almaz Böhm, seit 1986 für die Organisation tätig, wurde 2008 zur geschäftsführenden Vorsitzenden und im November 2011 zur Vorstandsvorsitzenden der Stiftung gewählt. Im Zuge der Weiterentwicklung der Stiftungsorganisation (Menschen für Menschen Deutschland) wird die Tätigkeit des Vorstandes künftig noch stärker auf operative Aufgaben fokussiert. In diesem Zusammenhang hat der Vorstand Frau Almaz Böhm einstimmig zur Schirmherrin der Stiftung Menschen für Menschen gewählt. Frau Almaz Böhm hat die Wahl angenommen und ihr Vorstandsmandat niedergelegt. Sie wird weiterhin das Lebenswerk Karlheinz Böhms repräsentieren ohne mit operativen Aufgaben befasst zu sein. „Mein Mann war für mich immer Vorbild und Motivation. Er hat mir nicht nur seine Liebe geschenkt, sondern auch den Glauben daran, dass ein einzelner Mensch sehr viel Positives bewirken kann. So schwer mich sein Verlust trifft, so sehr gibt mir der Glaube an seine Vision Kraft, sein Lebenswerk weiterzuführen“, so Almaz Böhm.

Die Organisation Menschen für Menschen, die heute vom Vorstand und den Geschäftsführern Dr. Peter Schaumberger und Peter Renner geführt wird, leistet aktuell in neun Projektgebieten in Äthiopien Hilfe zur Selbstentwicklung für die ländliche Bevölkerung. Sein Lebenswerk wird so konsequent weitergeführt. Frau Almaz Böhm wird sich als Schirmherrin der Stiftung auf repräsentative Aufgaben konzentrieren.

Eine ausführliche Vita und Bildmaterial von Karlheinz Böhm finden Sie unter hier.

Foto: Menschen für Menschen/Rainer Kwiotek